»High and Low«
Dirk Görtler, im Oktober 2017
Zur Ausstellung von Philipp Exner, Dirk Görtler, Ralph Görtler, Wolfgang Keller, Chris Langohr, Smy (Daniel Schmieder).
1915 malte Kasimir Malewitsch ein schwarzes Quadrat. Das war einer der Höhepunkte der klassischen Moderne. In diesem schwarzen Quadrat fand die Malerei zu sich selbst, zu reiner Farbe und Form, also Abstraktion und Loslösung von der Repräsentation.
1917 versuchte Marcel Duchamp in New York ein Urinal in einer bedeutenden Ausstellung unterzubringen. Das von ihm »Fountain« genannte Ready Made wurde nicht in die Ausstellung aufgenommen, die Provokation war gelungen, das Objekt zertrümmerte den traditionellen Werkbegriff und wurde, – nie ausgestellt, zu einem der bedeutendsten Kunstobjekte des 20. Jahrhunderts.
Solch radikalen Statements der bildenden Kunst mussten dem Publikum erklärt werden. Das war die große Stunde der Kunstkritik. Jetzt konnte diese sich über Künstler und Publikum erheben und einen Wettlauf der verbalen Konstrukte beginnen, in denen zahlreiche Künstler ihre Werke nicht wiedererkannten.
Die klassische Moderne endete jedoch mit dem Ausradieren einer Zeichnung Willem De Koonings durch Robert Rauschenberg und Suppendosen von Andy Warhol. Die Popart bildete die Brücke von der Moderne in die Postmoderne.
Die Kunstkritik machte jede Kehrtwende mit und entwickelte eine eigene Sprache, welche hin und wieder an die Winkelzüge der Juristerei erinnert. Die Kunstkritik stellte allerdings auch indirekt Regeln für die Kunst auf. Die wichtigste Regel war, dass diese Regeln immer wieder gebrochen werden mussten.
Das ging ganz gut mit der Postmoderne einher, die postulierte, dass die Wirklichkeit konstruiert sei und es eine letzte Wahrheit nicht geben könne. Die Welt ist Interpretation. Damit behauptete jedoch die Postmoderne genau das Gegenteil ihres Anspruchs, denn damit gäbe es ja eine letzte Wahrheit, dass es eben eine solche nicht gäbe. Diesen Widerspruch konnte die Postmoderne nicht auflösen.
Die von Heinrich Klotz, Architekt und Gründungsrektor des ZKM, ausgerufene „Zweite Moderne“, von anderen auch „Integrale“ genannte Phase der Gegenwart, versucht sich nun mit der Integration von Prämoderne, Moderne und Postmoderne. Wie man allerdings prämoderne Phänomene wie AfD oder Donald Trump integrieren soll, bleibt noch rätselhaft. Der amerikanische Philosoph Ken Wilber hat dazu erste Ideen publiziert (Ken Wilber: Trump and a Post-Truth World. Boulder 2017).
1990 zeigte das Museum of Modern Art in New York eine von Kirk Varnendoe und Adam Gopnik kuratierte Ausstellung unter dem Titel »High and Low«. Zu sehen waren Werke von u.a. Picasso, Comics, Werbung und Design.
Unabhängig davon gründete der Comic Künstler und Maler Robert Williams in den frühen 1990er Jahren in Los Angeles die Kunstzeitschrift »Juxtapoz«. Diese bot einer jungen Generation von Künstlern, die vom Kunstmarkt ignoriert wurden, Gelegenheit ihre Werke zu publizieren. Was diese Künstler verband, waren Illustration, Comics, Trickfilm und Design.
»Juxtapoz« war eine Alternative zur überintellektuallisierten Kunstszene von New York, Köln, London und Paris. Eine Kunstszene außerhalb des kanonisierten Kunstbetriebs von Kunstmarkt, Kunstkritik und Museen etablierte sich zuerst in Los Angeles, dann auch in anderen Zentren der USA.
Namen für diese Szene wurden erfunden, darunter »Popsurrealismus« oder »Low Brow Art«. Hinzu kamen »Sreet Art« und »New Contemporary Art«. Hier versammelte sich »Street Art«, »Hot Rod Art«, »Tattoo Art«, »psycedelic Poster Art«, »Tiki-Surfer-Art« und vieles mehr. Im Zentrum stand und steht »Juxtapoz«. High und Low war vereint.
In bewegten Zeiten, in denen archaisch anmutende Religionskriege geführt werden, während man gleichzeitig im Silicon Valley die Zukunft erfindet und über Transhumanismus und Posthumanismus nachdenkt, ja sogar die »Singularität« für 2045 ausruft, haben Künstlerinnen und Künstler einen Weg gefunden, sich aus dem Würgegriff der Kunstkritik zu befreien und sich frei wie der Trickster der Mythologie, zwischen High and Low zu bewegen.
Anything Goes?
Nein.
Freiheit, Offenheit, Neugierde.
In der Galerie Thomas Menzel sind nun Werke zu sehen, deren Urheber aus verschiedenen Künstler Generationen stammen. Der 70plus, der 60plus, der 50plus, der 40plus und der 30plus Generation. Künstler, die neugierig sind auf die anderen Generationen, die offen sind für gegenseitige Anregungen und die sich die Freiheit nehmen, dies in ihren Werken undogmatisch zu integrieren, jeder auf seine Art.